Rechtsprinzipien

Zur Umsetzung des Programms DigiSanté werden voraussichtlich zahlreiche Rechtsgrundlagen zu überprüfen, überarbeiten, ergänzen bzw. neu zu schaffen sein. Generell ist die Rechtsetzung im Gesundheitswesen künftig immer auch auf die digitale Umsetzung bzw. die Unterstützung der digitalen Transformation im Gesundheitswesen auszurichten. Vorliegende Prinzipien sollen für diese Arbeiten als Richtschnur dienen.

Die 10 Prinzipien für die Rechtsetzung im Programm DigiSanté

• 1. Die Rechtsetzung wird auf das gesamtheitliche Zielbild des Programms ausgerichtet.

  Die Rechtsetzung und ihre Systematik (Sammelerlasse, Einzelerlasse, Fremdänderungen, etc.) werden inhaltlich und zeitlich auf das gesamtheitliche Zielbild des Programms und dessen Ablauf ausgerichtet. Zusammenhängende Regelungsgegenstände werden auf Stufe Programmorganisation koordiniert, damit sie - wo möglich - in einer einzigen Botschaft mit Gesetzesentwurf behandelt werden können (Einheit der Materie).

• 2. Die Rechtsetzung erfolgt etappiert und iterativ in einer interdisziplinären und integrativen Zusammenarbeit.

  Den sich dynamisch entwickelnden Sachverhalten wird durch eine etappierte Rechtsetzung Rechnung getragen. Die Rechtsgrundlagen werden so weit möglich iterativ erarbeitet, wobei die Anforderungen an die Rechtssicherheit und die etablierten, demokratisch legitimierten Rechtsetzungsprozesse einzuhalten sind. Es ist darauf zu achten, dass Ziele und konkrete Entscheidungen jeweils bewusst zu einem passenden Zeitpunkt festgelegt werden und die daran anschlies- senden Arbeiten sich grundsätzlich in diesem Rahmen halten. Stellt sich die Frage des Rückkommens auf solche Festlegungen, ist diese auf Zulässigkeit und Sachgerechtigkeit zu prüfen (so kann etwa der Gesetzestext nach Abschluss der parlamentarischen Beratungen nicht mehr geändert werden und von der Verwaltung eingebrachte Änderungen können sich hinsichtlich der Koordination mit anderen Gesetzgebungsvorhaben in- und ausserhalb von DigiSanté als anspruchsvoll erweisen). Themen der digitalen Transformation müssen in interdisziplinären Teams bearbeitet werden. Das gilt auch für die Rechtsetzung, die die unmittelbare Zusammenarbeit der verschiedenen Vertretungen des betroffenen Fachs, der IT und der Juristinnen und Juristen erfordert. Die Teams werden entspre- chend zusammengesetzt und ihre Arbeit organisiert.

• 3. Das Mittel der Rechtsetzung wird nur eingesetzt, wo das auch nötig ist.

  Es ist vorab zu prüfen, ob das Ziel bzw. das öffentliche Interesse durch Soft Law (Empfehlung, Absichtserklärung, Anleitung, Merkblatt, etc.) oder Selbstregulierung erreicht bzw. gewährleistet werden kann. Ein solches Vorgehen berücksichtigt auch das Verhältnismässigkeitsprinzip.

• 4. Bei der Rechtsetzung gelten die verfassungsrechtlichen Grundsätze wie Gesetzmässigkeit, öffentliches Interesse, Verhältnismässigkeit, Rechtsgleichheit, Willkürverbot und Bestimmtheitsgebot.

  Auch in der Rechtsetzung von Sachverhalten der digitalen Transformation gelten die üblichen Grundprinzipien wie Gesetzmässigkeit (inkl. Grundsätze der Rechtsetzungsdelegation und Stufengerechtigkeit,) öffentliches Interesse, Verhältnismässigkeit, Rechtsgleichheit, Willkürverbot, Bestimmtheitsgebot, Treu und Glauben, etc. Ergibt die Prüfung, dass das Ziel bzw. das öffentliche Interesse nur mittels Rechtsetzung vollständig erreicht, bzw. gewährleistet werden kann, so sind allfällige Kontrolllinstrumente verhältnismässig, d. h. entlang ihrer Kontroll- und Eingriffsintensität, zu gestalten (z.B. allgemeine Verhaltens- vorschriften < Meldepflicht < Bewilligungspflicht < Monopolisierung < Untersagung der Tätigkeit).

• 5. In Spezialgesetzen wird nur geregelt, was nicht durch Querschnittserlasse bereits sachgerecht, insbesondere digitaltauglich abgedeckt ist.

  In verschiedenen Bundesgesetzen sind Sachverhalte geregelt, die auch für das Gesundheitswesen relevant sind (z.B. DSG oder EMBAG). Sie sollen - soweit nicht im Widerspruch zu den eigenen Anforderungen - nicht zusätzlich spezialgesetzlich geregelt werden. Gleichzeitig soll darauf hingewirkt werden, dass ähnliche Sachverhalte in den verschiedenen Gesundheitsgesetzen des Bundes nicht mehrfach und schon gar nicht unterschiedlich geregelt werden (Bsp. Gesundheitsregister). Unterschiedliche Regelungen sind in solchen Fällen zu vereinheitlichen und es ist zu prüfen, ob die Materie in einen Querschnittserlass überführt werden kann.

• 6. Auf Stufe Bundesgesetz sind nur Regelungen vorzusehen, die die einzusetzende Architektur und Technologie sowie die Vollzugsorganisation so weit wie möglich offenlassen.

  Die Rechtsetzung erfolgt für alle Anliegen auf der richtigen Normstufe. Je wichtiger die Regelung, desto höher die Normstufe. Je konkreter die Regelung, desto tiefer die Normstufe, damit der dynamischen Entwicklung Rechnung getragen werden kann. Technologievorgaben werden nur gemacht, wenn sie der beste Weg sind, das Regulierungsgziel zu erreichen. Diesfalls ist in der Regel die tiefste zulässige Erlassstufe zu wählen.

• 7. Die Rechtsetzung zur Datenbearbeitung orientiert sich an den Datenflüssen und verhindert Medienbrüche.

  Rechtsetzung betreffend die Datenbearbeitung, insbesondere von schützenswerten Daten, berücksichtigt die Prozesse und Datenflüsse. Die Konzeption und Ausgestaltung der Erlasse wird Hand in Hand mit einer gründlichen Analyse und einem interdisziplinären Verständnis der Prozesse und Datenflüsse entwickelt. Dazu sind in der Regel Visualisierungen hilfreich. Bestehende Prozesse werden hinterfragt und wenn möglich automatisiert. Medienbrüche werden, ausser in begründeten Ausnahmen, beseitigt.

• 8. Die Rechtsetzung unterstützt die Einmalerfassung und Wiederverwendung von Daten (Once-Only-Prinzip).

  Die Rechtsetzung orientiert sich am Once-Only-Prinzip. Daten werden möglichst nur einmal erfasst und in weiteren Prozessen wiederverwendet, sofern dies datenschutzrechtlich zulässig ist. Bei Personendaten sind (u.a.) Massnahmen zur Berücksichtigung der Datensparsamkeit bzw. -zweck- bindung vorzusehen.

• 9. Die Verwendung von einheitlichen Standards und die Interoperabilität werden gefördert und wo nötig gefordert.

  In den Rechtsetzungsvorhaben von DigiSanté wird darauf geachtet, dass die Verwendung von Standards und die Interoperabilität gefördert und gefordert werden. Zur Gewährleistung einer guten Datenqualität und des Datenflusses sowie der kontrollierten Wiederverwendung bzw. Sekundär- nutzung von Daten sind Standards und Interoperabilitätsvorgaben notwendig. Wo nötig und rechtlich zulässig (insb.: Grenzen der Bundeskompetenzen), werden Standards verpflichtend erklärt.

• 10. Die Begriffe werden in allen Rechtssetzungsvorhaben einheitlich verwendet und die Gliederung von Erlassen folgt einem harmonisierten Muster.

  Viele Fachbegriffe des Gesundheitswesens und der Informationstechnik können unterschiedlich verstanden und ausgelegt werden. Für die Kohärenz und Verständlichkeit der Rechtsetzung ist es notwendig, sich an gemeinsame Definitionen zu halten. Dazu wird ein Glossar geführt. Regulierungsmuster erleichtern die Verständlichkeit und Umsetzung der Regelungen.

Die Prinzipien basieren auf der einschlägigen Erfahrung in der Bundesverwaltung, einem Austausch mit Mitarbeitenden des Bundesamts für Justiz (BJ), ähnlichen Grundlagen aus Deutschland und Workshops mit Juristen und Juristinnen im Bundesamt für Gesundheit (BAG). Sie sind als Ergänzung gedacht zum Gesetzgebungsleitfaden des BJ und zum Qualitätsmanagement Rechtsetzung des BAG.

Die Prinzipien orientieren sich an verschiedenen Stellen an Elementen «agiler» Vorgehensmethoden, die in der Durchführung des Programms DigiSanté angewendet werden. Die Prinzipien richten sich sowohl an die beteiligten Juristinnen und Juristen als auch an die in den Rechtsetzungsprojekten beteiligten Fachpersonen. Die Prinzipien sollen zudem regelmässig auf ihre «Usability» und Umsetzungstauglichkeit überprüft und gegebenenfalls angepasst und erweitert werden.

1 Artikel 164 Bundesverfassung: Gesetzgebung

1 Alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen sind in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Dazu gehören insbesondere die grundlegenden Bestimmungen über: a. die Ausübung der politischen Rechte; b. die Einschränkungen verfassungsmässiger Rechte; c. die Rechte und Pflichten von Personen; d. den Kreis der Abgabepflichtigen sowie den Gegenstand und die Bemessung von Abgaben; e. die Aufgaben und die Leistungen des Bundes; f. die Verpflichtungen der Kantone bei der Umsetzung und beim Vollzug des Bundesrechts; g. die Organisation und das Verfahren der Bundesbehörden.

2 Rechtsetzungsbefugnisse können durch Bundesgesetz übertragen werden, soweit dies nicht durch die Bundesverfassung ausgeschlossen wird.